Titandioxid

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Titandioxid Nanopartikel sind unter anderem in Sonnencremes und speziellen Wandfarben enthalten. Man kann damit also vor allem über die Haut in Kontakt kommen. Ein unbeabsichtigtes Verschlucken dürfte unproblematisch sein, da Titandioxid nicht mehr als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist. Eine außergewöhnliche Gefährdung speziell durch die Nanoform ist nicht erkennbar

 

Kind mit Sonnencreme © Sunny-studio /fotolia.com

Kind mit Sonnencreme © Sunny-studio/fotolia.com

Wie könnte ich damit in Kontakt kommen?

In Sonnencreme trägt man Titandioxid Nanopartikel auf die Haut auf. Gesunde und sonnenverbrannte Haut wird dabei nicht durchdrungen. Wunden sollte man stattdessen mit Wundsalbe versorgen. Als Wandfarbe werden Titandioxid Nanopartikel für selbstreinigende Fassaden eingesetzt. Sobald die Farbe getrocknet ist, ist das Titandioxid fest mit dem Anstrich verbunden; Menschen werden auf diesem Weg nicht belastet. In Kacheln, Pflastersteinen, Solarzellen etc. ist Titandioxid ebenfalls fest gebunden; Nanopartikel werden im täglichen Gebrauch nicht frei, so dass sie auch nicht in den Körper gelangen. In allen Fällen können die Nanopartikel aber aus dem festen Verbund heraus gewaschen werden, so dass sie in die Umwelt gelangen. Bislang konnte dadurch keine schädliche Wirkung festgestellt werden; das muss aber weiter untersucht werden.

Wie gefährlich ist das Material für Mensch und Umwelt?

Titandioxid wirkt in sehr großen Mengen giftig. Grundsätzlich sollte man das Einatmen aller Stäube vermeiden. Im Tierversuch wurden Schädigungen nach hoher Dosierung in der Lunge nachgewiesen. Diese und weitere Studien haben auch dazu geführt, dass Titandioxid ab August 2022 in der EU nicht mehr als Lebensmittelfarbe E 171 zugelassen ist, für Medikamente gilt dieses Verbot nicht.

 

Fazit

Titandioxid Nanopartikel können nicht durch unverletzte Haut in den menschlichen Körper gelangen. In anderen Anwendungen sind Titandioxid Nanopartikel fest an andere Materialien gebunden und liegen somit nicht als freie Partikel vor.

 

Nebenbei
  • Bei Schleif- oder anderen Renovierungsarbeiten wird immer Staub frei, der Nanoanteile enthält – unabhängig davon, ob vorher Nanopartikel in dem bearbeiteten Material enthalten waren. Nassschleifen reduziert den Staubanteil in der Luft und verhindert auch die Bildung von Nanoteilchen

Eigenschaften und Anwendungen

Titandioxid (TiO2) ist mittlerweile zu einem alltäglichen Begleiter in unserem Leben geworden. Man findet es in Konsumgütern wie bspw. Kosmetika, in Farben und Lacken, in Textilien, Papier und Kunststoffen, in Medikamenten oder mittlerweile sogar in Pflastersteinen: Viele Alltagsprodukte nutzen Titandioxid. 2009 wurden weltweit 4,68 Millionen Tonnen TiO2 produziert [1], innerhalb der EU sind es 1,5 Mio. Tonnen pro Jahr [2]. Vor der Finanzkrise, in den Jahren 2007 und 2008, lag die Produktion sogar noch höher.

Dies hat es vor allem seiner Vielseitigkeit in Größe und Gestalt zu verdanken. Mal kommt es als mikroskaliges Pigment zum Einsatz, mal als Nanoobjekt. Auch seine Kristallstruktur kann variieren; je nach Anordnung der Atome unterscheidet man die Rutil-und die Anatas-Modifikation.

Am häufigsten wird TiO2 als Weißpigment eingesetzt, da es einen hohen Brechungsindex hat und somit in der Lage ist, das einfallende Licht stark zu streuen und zu reflektieren. Deshalb und wegen seiner hohen UV-Beständigkeit gilt es als das Standardpigment für weiße Dispersionsfarben mit hoher Deckkraft. Die Weißpigmente aus Titandioxid sind fast ausschließlich Partikel in der Rutilmodifikation mit Korngrößen im Mikrometerbereich, da der Effekt der Lichtstreuung bei zu kleinen - nanoskaligen - Partikeln nicht mehr auftritt. Dieses weiße Pigment findet nicht nur in Farben, sondern auch in Lacken, Kunststoffen, Papier sowie Textilien Verwendung. Unter der Kennzeichnung E171 wurde es bis zum Verbot im August 2022 in der EU als Lebensmittelzusatzstoff geführt, es ist aber in Zahncremes, verschiedenen anderen Kosmetika und Medikamenten nach wie vor erlaubt. Am schnellsten wächst derzeit der Markt für TiO2-Pigmente für den Einsatz in Kunststoffen. Insbesondere die hohe Nachfrage der Verpackungsindustrie führt hier zu steigendem Verbrauch an Titandioxidpigmenten.

 

© vimarovi/ Fotolia.com

Flasche Sonnencreme im Sand © vimarovi/ Fotolia.com

Nanoskaliges Titandioxid, das für spezifische Anwendungen hergestellt wird, ist etwa um den Faktor 100 feinteiliger als die Pigmentform und weist andere physikalische Eigenschaften auf. Das Produktionsvolumen von nano-TiO2 beträgt weniger als 1 % der produzierten Menge von TiO2-Pigmenten [3]. Derzeit wird es vor allem als Wirkstoff in Sonnencremes, Textilfasern oder Holzschutzmitteln genutzt. Der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V. berichtet, dass Titandioxid derzeit in Sonnenschutzmitteln ausschließlich in seiner Nanogestalt vorkommt [5]. Zudem ist es mit weiteren Materialien beschichtet, um bessere Dispersionseigenschaften zu erhalten und die Photostabilität zu gewährleisten [6]. Verglichen mit den lange in Sonnencremes eingesetzten Titanoxid-Mikropartikeln, die klebrige und alles andere als einfach und angenehm auf die Haut aufzubringende Pasten ergaben und zudem einen deutlichen weißen Film auf der Haut hinterließen, ist nanoskaliges Titandioxid dagegen transparent und lässt sich wesentlich leichter auftragen. Die Schutzwirkung gegen UV-Strahlung ist zudem bei Nanopartikeln wesentlich besser [4].

 

© Jürgen Fälchle / Fotolia.com

Sonnenblume vor einer Wand von Solarzellen© Jürgen Fälchle / Fotolia.com

Eine weitere Eigenschaft von Titandioxid ist seine photokatalytische Aktivität, die durch das hohe Oberflächen/Volumen-Verhältnis von Nanopartikeln im Vergleich zu Mikropartikeln gesteigert wird. Jedoch ist nicht jede Modifikation hierfür geeignet. Anders als in den bislang genannten Anwendungen in Lichtschutz und Farben, bei denen vor allem Rutil-TiO2 zum Einsatz kommt, ist für die Photokatalyse vor allem die Anatas-Modifikation geeignet. In Gegenwart von UV-Strahlung kann Anatas-TiO2 aus Wasser bzw. Luft Radikale bilden, die organische Schadstoffe oxidativ abbauen können. In Fulda wurde von den Franz Carl Nüdling Basaltwerken ein Pflasterstein entwickelt, der mit Hilfe von Titandioxid die Luft von Autoabgasen „befreit“; ähnliche Pflastersteine, aber auch Kacheln sind in Japan entlang von KfZ-Verkehrswegen schon im Einsatz. Forscher an der Universität Kassel fanden einen Weg nano-TiO2 mit Farbstoffmolekülen derartig zu verzahnen, dass der photokatalytische Prozess auch durch sichtbares Licht und nicht ausschließlich durch UV-Strahlung ausgelöst werden kann.

Aufgrund des hydrophilen Charakters von Titandioxid bildet Wasser auf derartigen Oberflächen einen geschlossenen Film, welcher Schmutz und Abbauprodukte leicht abtransportieren kann. TiO2-Partikel, eingebracht in Fassadenfarben oder Kacheln, führen somit zu selbstreinigenden, schmutzabbauenden Oberflächen. Die hydrophilen Eigenschaften des nanoskaligen Titandioxids werden zudem bei sog. „Anti-Fog“-Beschichtungen ausgenutzt. Der ultradünne Wasserfilm auf einer Glasscheibe, die mit einer transparenten Schicht von nanoskaligem TiO2 beschichtet wurde, verhindert die Bildung von Wassertröpfchen und folglich auch das Beschlagen. Ein weiteres mögliches Anwendungsgebiet von nanoskaligem Titandioxid liegt im Gebiet der Farbstoffsolarzellen (Grätzel-Zellen).

Titandioxid ist als nanometergroßes Pulver nicht selbstentzündlich. Auch als fein verteilte Mischung mit Luft (Staub) unter Einwirkung einer Zündquelle ist es nicht entzündlich, also besteht keine Möglichkeit einer Staubexplosion.

 

Natürliches Vorkommen und Herstellung

Titandioxid kommt meist in Verbindung mit anderen Gesteinsarten vor und muss von diesen abgetrennt werden. Eines der bekanntesten Mineralien ist das Ilmenit (FeTiO3). Zur Raffinierung dieser Vorkommen werden unterschiedliche Verfahren genutzt.

In der EU wird Titandioxid zu 70 Prozent nach dem Sulfatverfahren aus natürlichen Mineralien gewonnen, während die verbleibenden 30 Prozent nach dem Chloridverfahren gewonnen werden. In der Bundesrepublik Deutschland sind beide Verfahren zu gleichen Teilen vertreten. Das Sulfatverfahren geriet vor einigen Jahrzehnten in die Kritik, da hier verdünnte Schwefelsäure (sog. Dünnsäure) entsteht, die bis in die 1980er Jahre in der Nordsee verklappt wurde. Seit 1990 ist dies in Deutschland verboten. Die Dünnsäure wird nun aufbereitet oder in andere Herstellungsprozesse eingeleitet. Beim Cloridverfahren reagieren die TiO2-Erze mit Chlorgas unter Bildung von Salzsäure. Diese kann zum einen wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden und ist zudem industriell wetaus bedeutender und kann somit auch verkauft werden.

Zur Produktion von nanoskaligem TiO2 sind weitere Prozesse von Nöten. Zum Einen können sogenannte Titan-Alkoxylate hydrolisiert und anschließend thermisch behandelt werden. Hierbei ist es abhängig von der Temperatur welche Kristallmodifikation die Partikel nach dem Prozess haben. Des Weiteren erden nanoskalige Titandioxid-Partikel durch die Umsetzung von Titanchlorverbindungen mit Ammoniak hergestellt. Das entstehenden Titanoxidhydrat geht unter Wärmeeinwirkung in Rutil-TiO2 über. Ein in den 1940er Jahren von der Degussa entwickeltes Verfahren, das sog. Aerosilverfahren, wurde in den 1950er Jahren von Siliziumdioxid auf Titandioxid übertragen. Dadurch ist es ebenfalls möglich aus Titanchlorverbindungen mittels Umsetzung mit Wasserdampf zu nanoskaligem Titandioxid zu gelangen.

 

NanoCare - Datenblätter


Weiterführende Informationen

  1. PR Web.com (EN) (30.08.2010) . Global Titanium Dioxide Industry Stabilises and Heads for Recovery, TZMI Pressemitteilung.
  2. Cefig.org (EN): Titanium Dioxide Manufacturers Association (TDMA) (Stand letzter Zugang: Sep 2011).
  3. Cefig.org (EN): Industry responds to Nano-TiO2 study published in American Association for Cancer Research Journal, Offener Brief des Titanium Dioxide Stewardship Council vom 3. März 2010.
  4. Schweizer Kosmetik- und Waschmittelverband (SKW) (02.09.2014). Nanomaterialien in Kosmetika. (PDF; 38 KB)
  5. NanoTrust Dossier No.008 (Jan 2009). Nanotechnologie in Kosmetika, NanoTrust, Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA), Wien.
  6. Scientific Committee on Consumer Products (SCCP) (19.06.2007). Safety of nanomaterials in cosmetic products.

Eine Neubewertung der vorhandenen Studien führte dazu, dass zu TiO2 im Jahr 2020 doch Bedenken geäußert wurden, dass es in hohen Mengen nach Inhalation ein gewisses Lungenkrebsrisiko gibt. Nanoskaliges Titandioxid kann in sehr hohen Konzentrationen Zellschäden und Entzündungsprozesse auslösen. Im Alltag sind jedoch keine so hohen Konzentrationen zu erwarten.

 

Allgemeine Gefährdung

Epidemiologische Studien lieferten bisher keine Hinweise auf eine erhöhte Gefahr für die Mitarbeiter in der Produktion an Lungenkrebs oder anderen Krebsarten zu erkranken. Auch die Sterblichkeitsrate war nicht erhöht [1,2]. Die Neueinstufung im Jahr 2021 beruht auf Versuchen mit Ratten und sehr hohen verabreichten Konzentrationen.

Arbeitsplatzexpositions-Studien im Rahmen des Projektes NanoCare zeigten, dass beim Abfüllen von TiO2-Pulver hauptsächlich Partikel freigesetzt werden, die größer als 450 nm sind. Es handelt sich hierbei also nicht um Nanopartikel [3].

 

Lebenszyklus und moegliche Freisetzungspfade von Titandioxid. © Kuhlbusch et al., UBA-Studie.

Lebenszyklus und mögliche Freisetzungspfade von Titandioxid. © Kuhlbusch et al., 2010, UBA-Studie.

 


Literatur

  1. Ellis, ED et al. (2010), J Occup Environ Med, 52(3): 303-309.
  2. Wild, P et al. (2009)."Lung Cancer and Exposure to Metals: The Epidemiological Evidence", in Cancer Epidemiology. vol. 472, Verma, Humana Press, pp. 139-167. ISBN:978-1-60327-491-3
  3. NanoCare 2009, Final Scientific Report, ISBN 978-3-89746-108-6. (PDF-Dokument, 19 MB).
  4. Kuhlbusch, T. (Okt 2010). Emissionen von Nanopartikeln aus ausgewählten Produkten in ihrem Lebenszyklus. UBA-Studie, Umweltbundesamt, ISSN 1862-4804.

 

Untersuchungen am lebenden Organismus - in vivo

Eine im Projekt NanoCare durchgeführte 5 Tage Inhalations-Studie zeigte, dass eingeatmete TiO2-Partikel als Agglomerate in der Lunge deponiert werden und sich in lungenassoziierte Lymphknoten ablagern, wenn hohe Dosen verabreicht werden (50 mg/m3). Meist sind sie in Fresszellen zu finden. Dagegen wurden weder in der Leber, den Nieren, der Milz noch im Basalhirn mit anhängendem Riechkolben Nanopartikel detektiert [1,6].

Ebenfalls im Rahmen des Projekts NanoCare vorgenommene Instillations-Studien mit niedriger (0,6 mg/Lunge) und hoher Dosis (4,8 mg/Lunge) zeigten eine geringfügige dosisabhängige Erhöhung der Anzahl an Makrophagen. Diese Zellen sind wichtig für die Immunabwehr und dienen der Beseitigung von Fremdstoffen, wie z.B. Partikel, durch Phagozytose [1].

In weiteren Instillations-Studien wurde gezeigt, dass sich TiO2-Partikel bei niedriger Dosierung in der Lunge ablagern und auch in die Leber und Nieren weitertransportiert werden können. Die geringe Menge an TiO2 hatte keine negativen Effekte auf die Lunge, führte jedoch zu einer vorübergehenden Veränderung der Metaboliten in der Leber und Niere. Bei hohen Dosen wurde eine starke Aggregation und Ablagerung von Partikeln in der Lunge beobachtet, die zu starken Entzündungsreaktionen führte. Ein Weitertransport von TiO2-Partikel in Leber und Nieren wurde nicht nachgewiesen. Da die Makrophagen keine Phagozytose mehr vornehmen konnten, war die Lunge mit Partikeln überladen [2, 5].

Auch Kobayashi und Kollegen beschreiben in ihren Studien, dass Partikel in der Lunge Kurzzeiteffekte (24 h) verursachen können Die beobachteten Entzündungsreaktionen in der Lunge waren aber nach ca. 1 Monat wieder abgeklungen [3].

Bei den oben beschriebenen Effekten in der Lunge handelt es sich um akute Reaktionen. Über chronische Auswirkungen von nano-TiO2-Partikel auf den Körper liegen noch wenige Studien vor. Park und Kollegen schlossen aus ihren Untersuchungen, dass TiO2 möglicherweise chronische Entzündungen der Lunge nach Instillation verursachen kann [4].


Literatur

  1. NanoCare 2009, Final Scientific Report, ISBN 978-3-89746-108-6. (PDF-Dokument, 19 MB).
  2. Tang, M et al. (2010), J Nanosci Nanotechnol, 10(12): 8575-8583.
  3. Kobayashi, N et al. (2009), Toxicology, 264(1-2): 110-118.
  4. Park, EJ et al. (2009), Toxicology, 260(1-3): 37-46.
  5. Li, J et al. (2007), Environ Toxicol Pharmacol, 24(3): 239-244.
  6. Ma-Hock, L et al. (2009), Inhal Toxicol, 21(2): 102-118.

 

Untersuchungen außerhalb des Organismus - in vitro

Zahlreiche in vitro Studien mit unterschiedlichen Zellen zeigen, dass Zellen je nach Typ und Herkunft verschieden stark auf eine Exposition mit TiO2 reagieren. In Abhängigkeit von der Dosis können TiO2 Nanopartikel die Sekretion von Entzündungsmarkern, die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), Zytotoxizität und Apoptose hervorrufen [z.B.1,2,3].
Es sind jedoch sehr hohe Konzentrationen an nanoskaligem TiO2 (15nm Primärpartikelgröße) notwendig, um die Zellen unwiederbringlich zu schädigen [z.B.4,5,6].

In Studien mit menschlichen Nasenschleimhautzellen bzw. Lymphozyten wurden jedoch keine Zell- bzw. DNA-Schädigungen nachgewiesen, obschon vereinzelt Partikel und vermehrt auch Agglomerate in den Zellen vorhanden waren [7,8].

Im Projekt NanoCare diente Titandioxid als sog. Referenzmaterial, d.h. es wurde in allen Versuchen mitgeführt. Untersuchungen mit unterschiedlichen Zelllinien zeigten, dass verschiedene Varianten von TiO2 nur nach Gabe sehr hoher Dosen (50 µg/cm2) die Vitalität der Zellen reduzierte. Diese Dosis liegt nicht nur weit über der Konzentration an natürlich vorhandenem TiO2, sondern auch über derjenigen, die durch sachgemäßen Gebrauch von industriell hergestelltem TiO2 entsteht. Zudem neigt TiO2 zu starker Verklumpung, was die Konzentration an freien Nanopartikeln stark reduziert [9].

Mit Hilfe des sogenannten Vektor-Modells, das einige der elementaren Zellfunktionen abbildet [10], konnte gezeigt werden, dass eine Konzentration von ca. 60 µg Partikeln pro 106 Fresszellen zu einer Schädigung der Zellen führt. Auch die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) wurde erst bei dieser hohen Dosis in den Zellen detektiert [9].

Im Rahmen des Projekts NanoCare wurden in vitro Tests auch mittels eines am KIT entwickelten Expositionssystems für Bioassays zur Bestimmung der Toxizität gasgetragener Nanopartikel durchgeführt. Das Aerosol strömt hierbei über die Oberfläche von Zellen und kann durch die deponierten Partikel eine dosisabhängige Reaktion in den Zellen, wie zum Beispiel Entzündung, hervorrufen. Gleichzeitig wird die deponierte Partikeldosis pro Fläche mit einer Schwingquarzmikrowaage aufgezeichnet [11,12].

Humane Lungenzellen wurden für zwei bzw. für vier Stunden mit TiO2 exponiert. Dabei zeigten diese Zellen in allen verwendeten Konzentrationen keine Vitalitätsverluste und es gab keine Anzeichen akuter Zytotoxizität [9].

Im BMBF geförderten Verbundprojekt INOS wurde TiO2 (P25, Evonik/Degussa) ebenfalls als Referenzmaterial eingesetzt. In den in vitro Tests zeigte sich übereinstimmend, dass TiO2 auf die humanen Zelllinien A549, HaCaT, CaCo2 und auch auf Zellen der Regenbogenforelle keine zytotoxische Wirkung zeigte (eingesetzte Konzentrationen bis 50 µg/ml über 3 Stunden und 3 Tage) [13].


Literatur

  1. Val, S et al. (2009), Inhal Toxicol, 21 Suppl 1 115-122.
  2. Liu, S et al. (2010), Toxicology, 267(1-3): 172-177.
  3. Hussain, S et al. (2010), Part Fibre Toxicol, 7 10.
  4. Gerloff, K et al. (2009), Nanotoxicology, 3(4): 355-364.
  5. L'Azou, B et al. (2008), Part Fibre Toxicol, 5 22.
  6. Shukla, RK et al. (2011), Toxicol In Vitro, 25(1): 231-241.
  7. Hackenberg, S et al. (2010), Toxicol Lett, 195(1): 9-14.
  8. Hackenberg, S et al. (2011), Environ Mol Mutagen, 52(4): 264-268.
  9. NanoCare 2009, Final Scientific Report, ISBN 978-3-89746-108-6. (PDF-Dokument, 19 MB).
  10. Bruch, J et al. (2004), Int J Hyg Environ Health, 207(3): 203-216.
  11. Muelhopt, S et al (2007). In vitro Testing of inhalable fly ash at the air liquid interface, p.402-414.Advanced Environmental Monitoring, Kim Y J and Platt U (eds.), Springer Verlag Netherlands. ISBN 9048114632.
  12. KIT-Flyer Karlsruher Expositionssystem für Bioassays (PDF-Dokument)
  13. INOS Forschungsberichte (siehe Veröffentlichungen des Projekts INOS)

Aufgrund der Anwendung von Titandioxid-Nanopartikeln in Alltagsprodukten wird eine verstärkte Exposition in Gewässern (also der aquatischen Umwelt) erwartet. Dabei ist beispielsweise ein Auswaschen von Partikeln aus Anstrichen/Farben denkbar, die im Außenbereich von Gebäuden verwendet werden und Wind und Regen ausgesetzt sind. Ebenso können Partikel von mit Sonnencreme behandelter Haut während des Badens oder Duschens in Oberflächen- oder Abwasser gelangen.

 

Der Nachweis von Titandioxid (TiO2) Nanopartikeln in der Umwelt gelang bisher jedoch selten. So wurde die Auswaschung von Titanidioxid-Nanopartikeln aus Fassaden, welche mit TiO2-haltigen Farben gestrichen worden waren, nachgewiesen [1]. Die Partikel gelangten durch herunter laufendes Regenwasser in Form von Aggregaten und oft eingebettet in Farbbestandteile in Oberflächen-Gewässer.

Bei der Untersuchung von Sedimentproben eines Gebietes in China gelang es, technisch hergestellte TiO2-Partikel mittels Elektronenmikroskopie nachzuweisen und diese von natürlich vorkommendem Titan abzugrenzen [2]. Gleichzeitig zeigte diese Studie, dass die Anreicherung der Sedimente mit Titan schon vor Dekaden begonnen hat, da sich auch die früher produzierten gröberen Partikel nachweisen lassen. Als Quellen der Titan-Verschmutzung wird die Einleitung von geklärtem und ungeklärtem Abwasser angenommen.

Eine Untersuchung von Abwässern aus Kläranlagen [3] ergab, dass ein Großteil aller Titanpartikel aus dem Abwasser entfernt wird, jedoch gerade die sehr kleinen (<700nm) Teilchen im Wasser verbleiben und so wieder in Flüsse und Seen gelangen können. Die Titan-Konzentrationen im Ausstrom der Kläranlage betrugen zwischen 5 und 15µg/l. Die meisten Titanpartikel werden während des Klärprozesses an Feststoffe gebunden und gelangen in den Klärschlamm. Dieser wiederum wird entweder auf der Mülldeponie entsorgt oder auf Felder zur Düngung ausgebracht, so dass die gröberen Titanpartikel eher in den Boden gelangen können.

Weil die TiO2-Konzentrationen in der Umwelt so gering sind, stellen sowohl die Entwicklung von Meßmethoden [4,5] als auch die Simulation der Exposition von Titandioxid-Nanopartikel in der Umwelt [6] gegenwärtig Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung dar.

Mittels Computerprogrammen wurde versucht zu simulieren, wie sich Titandioxid-Nanopartikel in der Umwelt verhalten könnten. Am wahrscheinlichsten werden sie demnach in natürlichen Oberflächengewässern bzw. in ihren Sedimenten und im Klärschlamm bzw. Böden auf welche Klärschlamm ausgebracht wurde, auftreten [7,8]. Vergleicht man diese berechneten Umwelt-Konzentrationen (PEC Wert) mit für Umweltorganismen gerade nicht gefährlichen Konzentrationen (PNEC Wert), so zeigt sich, dass gegenwärtig von TiO2-Nanopartikeln Risiken für die Umwelt besonders am Ausfluss von Kläranlagen möglich sind. Für Oberflächengewässer, Böden und für die Luft ist nach derzeitigem Kenntnisstand hingegen kein Risiko zu erwarten. Wie ein solches Risiko berechnet wird, ist in der Abbildung genauer erläutert.

 

Risikoquotienten für TiO2 in verschiedenen Regionen

Umweltkompartiment Europa USA Schweiz
Oberflächengewässer 0,015 0,002 0,02
Kläranlagenausfluss 3,5 1,8 4,3
Luft <0,0005 <0,0005 <0,0005

 

Der Risikoquotient wird aus vorhergesagten Umweltkonzentrationen (PEC) geteilt durch die vorhergesagten Konzentrationen, die keine Effekte auf Umweltorganismen haben (PNEC), gebildet. Ist der Risikoquotient kleiner als 1, so besteht gegenwärtig kein Risiko für die Umwelt, bei Werten über 1 besteht ein Risiko und weitere Untersuchungen müssen durchgeführt werden[7].

Eine weitere Computersimulation geht davon aus, dass zukünftig die Menge an produziertem TiO2 weiter steigen wird und dass sich der Anteil an nanoskaligem TiO2 ebenfalls weiter erhöht [9]. Daraus wird abgeleitet, dass sich die Umweltkonzentrationen zukünftig erhöhen werden.

Generell gibt es in diesem Bereich noch große Wissenslücken, welche vor allem unzureichenden Meßmethoden und damit genauen Kenntnissen der Umweltkonzentrationen geschuldet sind. Es fehlen weitere Daten zu genauen Substanzmengen ebenso wie zum Verhalten und zur Verteilung in den 3 Umweltkompartimenten Wasser, Boden und Luft.


Literatur

  1. Kaegi, R et al. (2008), Environ Pollut, 156(2): 233-239.
  2. Luo, Z et al. (2011), J Environ Monit, 13(4): 1046-1052.
  3. Kiser, MA et al. (2009), Environ Sci Technol, 43(17): 6757-6763.
  4. Tiede, K et al. (2009), Water Res, 43(13): 3335-3343.
  5. Contado, C et al. (2008), Anal Chem, 80(19): 7594-7608.
  6. Gottschalk, F et al. (2010), Environ Modell Softw, 25(3): 320-332.
  7. Gottschalk, F et al. (2009), Environ Sci Technol, 43(24): 9216-9222.
  8. Mueller, NC et al. (2008), Environ Sci Technol, 42(12): 4447-4453.
  9. Robichaud, CO et al. (2009), Environ Sci Technol, 43(12): 4227-4233.

Titandioxid kann über die Lunge oder den Magen-Darmtrakt aufgenommen werden. Die Haut ist durch ihre vielen Schichten eine gute Barriere für Partikel. Die Zugabe von Titandioxid in Nanoform zu Lebensmitteln oder Lebensmittel-Verpackungen war in Deutschland nie zugelassen. Seit August 2022 ist jedoch Titandioxid (E171) in jeder Form und Größe als Lebensmittelzusatzstoff verboten.

 

Aufnahme über die Lunge - Inhalation

Im Rahmen des Projekts NanoCare wurden in vitro Test mit humanen Lungenzellen durchgeführt. Verschiedene Varianten von Titandioxid verursachten nur nach Gabe sehr hoher Dosen (50µg/cm2) Vitalitätsverluste. Die Zellen wurden zur Simulation der Staubentwicklung für 2 und 4 Stunden im sog. "Karlsruher Expositionssystem" Titandioxidpartikeln ausgesetzt. Dabei zeigten diese Zellen in allen verwendeten Konzentrationen keinen Vitalitätsverlust und es gab keine Anzeichen akuter Zytotoxizität [1].

Die ebenfalls in NanoCare durchgeführten Tierversuche zeigten, dass eingeatmete TiO2-Partikel in der Lunge der Tiere abgelagert werden. Dort können sie Entzündungsreaktionen auslösen, die jedoch vorübergehend sind [1]. ]. In 2021 hat die ECHA auf der Basis von Hochdosisversuchen an Ratten die Klassifizierung von TiO2neu geregelt. Alltagsprodukte, die TiO2 egal in welcher Größe enthalten, müssen jetzt nach EUH212 wie folgt gekennzeichnet werden: „Achtung! Bei der Verwendung kann gefährlicher lungengängiger Staub entstehen. Staub nicht einatmen“


Literatur

  1. NanoCare 2009, Final Scientific Report, ISBN 978-3-89746-108-6. (PDF-Dokument, 19 MB).

 

Aufnahme über die Haut - Dermal

Zellschichten der menschlicher Oberhaut (Epidermis). © Wikipedia.de.

Zellschichten der menschlicher Oberhaut (Epidermis). © Wikipedia.de.

Diese Ergebnisse wurden im EU-Projekt NanoDerm für nano-TiO2 Partikel als Bestandteil von Kosmetika bestätigt [2]. Um eine gute Dispersionseigenschaften der Sonnencreme zu erhalten und die Photostabilität zu gewährleisten, werden die Titandioxid-Partikel außerdem beschichtet [3]. Dies verhindert auch die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS).

Es bleibt die Frage zu klären, wie verletzte, entzündete oder besonders empfindliche Haut, wie beispielsweise durch Sonnenbrand geschädigte Haut, reagiert? Eine Studie aus dem Jahr 2011 konnte zeigen, dass Titandioxid- und Zinkoxid-Nanopartikel UVB geschädigte Haut (Sonnenbrand) ebenfalls nicht durchdringen können [6].

Die Partikel verbleiben in den oberen Schichten der Epidermis (vgl. dazu den Artikel unter "Grundlagen - Dermaler Aufnahmeweg").

Sonnencremes mit Titandioxid und Zinkoxid Nanopartikeln bieten wiederum einen effizienten Schutz gegen Hautschäden durch ultraviolettes Licht (UVB).

Die amerikanische Gesellschaft Nanodermatology Society (NDS) fasst in ihrem Bericht von 2011 die Ergebnisse zahlreicher Studien zusammen und bestätigt, dass TiO2-Partikel die Haut (Stratum corneum) nicht durchdringen und keine lebende Zellschicht erreichen.


Literatur

  1. Gamer, AO et al. (2006), Toxicol In Vitro, 20(3): 301-307.
  2. Pfluecker, F et al. (2001), Skin Pharmacol Appl Skin Physiol, 14 Suppl 1(Suppl. 1): 92-97.
  3. NanoDermSchlussbericht (2007). Quality of Skin as a Barrier to ultra-fine Particles. QLK4-CT-2002-02678.
  4. Scientific Committee on Consumer Products (SCCP) (19.06.2007). Safety of nanomaterials in cosmetic products.
  5. Nohynek, GJ et al. (2007), Crit Rev Toxicol, 37(3): 251-277.
  6. Monteiro-Riviere, NA et al. (2011), Toxicol Sci, 123(1): 264-280.

 

Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt

Oral aufgenommene unlösliche mineralische Partikel werden meist über den Stuhl ausgeschieden. Bislang existieren jedoch nur wenige Analysen zu diesem Thema.

Frühe Arbeiten zu TiO2 ergaben durchaus toxische Effekte in den behandelten Darmzellen des Menschen (20 und 80 µg/cm2) nach 24-stündiger Behandlung. DNA-Schäden wurden allerdings nicht beobachtet [1]. So wurde TiO2 als E171 auch als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Eine Neubewertung der Studien von 2015 bis 2020 durch die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in 2021 ergab dort jedoch ein anderes Bild [2]. Durch die bestehenden Sicherheitsbedenken wurde TiO2 (E171) im August 2022 in der EU als Lebensmittelzusatzstoff verboten.

 


Literatur

  1. Gerloff, K et al. (2009) Nanotoxicology 3(4): 355-364.
  2. Younes, M et al. (2021), EFSA J, 19(5): e06585.

Die Wirkung von Titandioxid (TiO2) -Nanopartikeln wurde bereits in zahlreichen Pflanzen und Tieren untersucht. Damit gehören sie zu den am umfangreichsten getesteten Nanopartikeln. Es liegen in vivo und in vitro Daten vor und es wurden Experimente in verschiedenen Medien (Wasser, Boden) und mit verschiedenen Aufnahmewegen (Wasser, Nahrung, Blut, Boden) durchgeführt.

 

Allerdings sind die Studien nicht gut vergleichbar, weil sich die Partikel-Hersteller und damit in der Regel auch die Eigenschaften der Titandioxid-Partikel von Studie zu Studie unterscheiden [1].

 

Die Regenbogenforelle als aquatischer Testorganismus ist besonders gut untersucht und wurde über Wasser, Nahrung und die Blutbahn mit Titandioxid-Nanopartikeln konfrontiert. In gröberer Form (mikroskalig) wird Titandioxid bereits seit langem in Ernährungsstudien in Fischen eingesetzt und gilt als untoxisch. Als Nanopartikel kann über die Nahrung aufgenommenes TiO2 in den Kiemen, im Darm, in der Leber, im Gehirn und in der Milz nachgewiesen werden. Es erfolgt also eine systemische Verteilung der Partikel im Körper, wobei dies keine Auswirkung auf die Gesundheit der Tiere hatte [2]. Direkt aus dem Wasser „verschluckte“ Titandioxid-Nanopartikel werden nur in geringem Maße in den Fischkörper aufgenommen [3].

In einer weiteren Studie wurden Regenbogenforellen die TiO2-Nanopartikel direkt in die Blutbahn gespritzt (eine nicht umweltrelevante Exposition, die jedoch zur Klärung von Wirkmechanismen und Effekten bei Aufnahme sehr hoher Dosen dient, z.B. nach einem möglichen Industrieunfall) und die Verteilung in den Organen beobachtet [4]. Die Partikel reicherten sich in Nieren und Leber an, ohne jedoch die Funktionen dieser wichtigen Organe zu beeinflussen.

Zebrabärblinge können TiO2-Partikel ebenfalls aus dem Wasser aufnehmen. Die Eihülle der Fischembryonen ist jedoch für die Partikel nicht durchlässig. Werden Embryonen gegenüber den Partikeln bei gleichzeitiger starker Beleuchtung ausgesetzt, so treten Fehlbildungen auf und eine erhöhte Sterblichkeit der Embryonen wird beobachtet [5]. Dieser Effekt tritt bei normaler Beleuchtung nicht auf und ist somit auf die photokatalytischen Eigenschaften der TiO2-Partikel zurückzuführen. Erwachsene Zebrabärblinge zeigten keine Effekte nach TiO2-Exposition, die Kiemen wiesen keinerlei Veränderungen auf [6,7]. Es wurden jedoch Veränderungen in den Aktivitäten bestimmter Gene festgestellt, diese Genaktivitäten stimmten teilweise mit beobachteten Veränderungen nach Kupfer- und Silbernanopartikel-Exposition überein.

 

Auch Wasserflöhe (Daphnien) zählen zu den häufig verwendeten Testorganismen. Im klassischen 2-Tages-Test, bei dem die Daphnien über 48 h mit den Partikeln exponiert werden, traten in verschiedenen Studien keine bzw. minimale Effekte (Beweglichkeit, Sterblichkeit) auf [6,8,9,10]. Wurde der Beobachtungszeitraum jedoch auf 3-21 Tage ausgedehnt, so traten Effekte auf die Häutung und die Fortpflanzungsfähigkeit auf, die z.T. zum Absterben aller Testorganismen führte [8,9,10]. Diese indirekten toxischen Effekte gehen einerseits auf eine Anheftung der Partikel an das Außenskelett (Panzer) der Tiere zurück, andererseits auf die Partikelaufnahme in den Darm [10]. Letztere behindert möglicherweise die Nahrungsaufnahme in den chronischen Tests.

 

 

Wasserflöhe reichern Titandioxid-Nanopartikel im Darm an, erkennbar an der Schwarz-Färbung. © Zhu et al., 2010.

Wasserflöhe reichern Titandioxid-Nanopartikel im Darm an, erkennbar an der Schwarz-Färbung. © Zhu et al., 2010.

 

Eine wichtige Fragestellung in der Risikoforschung ist, inwieweit ein Transfer von Nanopartikeln über die Nahrungskette stattfindet. In einer `kleinen` Nahrungskette, bestehend aus Wasserflöhen und Zebrabärblinge, wurde gezeigt, dass eine Übertragung der Nanopartikel auf Zebrabärblinge, welche mit TiO2-exponierten Daphnien gefüttert wurden, stattfindet [11].

 

Für weitere Süß- und Meerwasser-Organismen (Muscheln, Schnecken) waren Titandioxid-Nanopartikel nicht akut toxisch [12,13], jedoch zeigte die Aktivitäten bestimmter Enzyme eine Reaktion auf die Partikel-Exposition an [13,14].

 

Der im Meeresboden lebende Wattwurm nahm keine Partikel über die Haut oder den Darm in Körpergewebe auf [15]. In sehr hohen Konzentrationen war die Futteraufnahme der Würmer verringert, eine typische Reaktion auf Verunreinigungen im Sediment. Ebenfalls in hohen Konzentrationen lösten TiO2-Nanopartikel hier DNA- und Zellschädigungen aus.

Als Beispiel für Boden-bewohnende Organismen wurden Kellerasseln mit Titandioxid-getränkten Blättern gefüttert. Die Nanopartikel hatten wenig Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge und keinerlei Einfluss auf die Futteraufnahme, das Körpergewicht oder die Sterblichkeit [16,17], obwohl die eingesetzten Konzentrationen sehr hoch waren. Ähnlich wie für Wasserflöhe hatte eine verlängerte Expositionsdauer jedoch einen Einfluss auf die TiO2-Wirkung, ein Hinweis darauf, dass im Gegensatz den häufig angewandten Kurzzeittests auch chronische Test mit längeren Einwirkzeiten durchgeführt werden sollten. Eine Regenwurm-Art zeigte nach 7-tägiger TiO2-Exposition über den Boden DNA-Schädigungen und Hinweise auf oxidativen Stress, ebenfalls nur in sehr hohen Konzentrationen [18]. Ähnliche Befunde waren für den Fadenwurm zu beobachten, hier traten auch Verringerungen in Wachstum und der Zahl der Nachkommen auf [19].

 

TiO2-Nanopartikel wurden an verschiedenen Pflanzen getestet, für die Zwiebel und Weidenbäume war die Toxizität gering, alle Wachstumsparameter waren unverändert [20,21]. Eine weitere Studie untersuchte Tabak- und Zwiebelpflanzen, hier zeigten hohe, nicht umweltrelevante Konzentrationen eine genotoxische Wirkung [22]. Für eine Süßwasser-Grünalge wurden für 3 verschiedene TiO2-Nanopartikel wachstumshemmende Effekte beobachtet, welche jedoch nicht allein durch unterschiedliche Partikelgrößen begründet werden können, sondern auch durch andere Eigenschaften wie unterschiedliche Kristallstrukturen [23]. Außerdem ist unklar, inwieweit die Nanopartikel den notwendigen Lichteinfall behindern und dadurch das Wachstum hemmen.

 

Als Fazit aus den bisher verfügbaren Studien lässt sich für Titandioxid-Nanopartikel eine geringe Toxizität für Umweltorganismen ableiten. Wirkungen wurden stets in Konzentrationen beobachtet, die weit über den vorhergesagten Umweltkonzentrationen liegen.

Die Partikel werden jedoch ohne Zweifel in Organismen und Zellen aufgenommen, weshalb man die wichtige Einschränkung machen muss, das die Wirkung von sehr geringen Konzentrationen dieser Stoffe über einen längeren Zeitraum, wie es den Verhältnissen in der Umwelt entsprechen würde, bisher nur unzureichend (in Daphnien und Kellerasseln) untersucht wurde.


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  11. Zhu, X et al. (2010), Chemosphere, 79(9): 928-933.
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  13. Musee, N et al. (2010), Chemosphere, 81(10): 1196-1203.
  14. Canesi, L et al. (2010), Aquat Toxicol, 96(2): 151-158.
  15. Galloway, T et al. (2010), Environ Pollut, 158(5): 1748-1755.
  16. Drobne, D et al. (2009), Environ Pollut, 157(4): 1157-1164.
  17. Jemec, A et al. (2008), Environ Toxicol Chem, 27(9): 1904-1914.
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  21. Seeger, EM et al. (2008), J Soils Sediments, 9(1): 46-53.
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  23. Hartmann, NB et al. (2010), Toxicology, 269(2-3): 190-197.

Die Wirkung von Titandioxid (TiO2) Nanopartikeln wurde bereits in zahlreichen Pflanzen und Tieren untersucht. Damit gehören sie zu den am umfangreichsten getesteten Nanopartikeln. Es liegen in vivo und in vitro Daten vor und es wurden Experimente in verschiedenen Medien (Wasser, Boden) und mit verschiedenen Aufnahmewegen (Wasser, Nahrung, Blut, Boden) durchgeführt.

 

Verhalten an der Blut-Hirn-Schranke

Ob TiO2-Partikel aber überhaupt ins Gehirn gelangen, ist noch unklar, da dieses durch die Blut-Hirn-Schranke sehr gut vor dem Eindringen von Pathogenen geschützt ist. Neben der Blut-Hirn-Schranke könnten Partikel auch beim Einatmen über den Riechnerv direkt ins Hirn gelangen. In einer Studie an Ratten wurde gezeigt, dass nach der Injektion von TiO2-Nanopartikel in die Blutbahn keine Anreicherung der Partikel im Gehirn erfolgte [2]. Dagegen wurde nach der Instillation von Mäusen mit TiO2 kein Titan im Gehirn nachgewiesen [3].


Literatur

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Aufnahmeverhalten in Zellen

TiO2-Partikel werden mehrheitlich als große intrazelluläre Aggregate in Vesikeln, Vakuolen oder Lamellarkörpern (membranumschlossene Zellbestandteile) mittels Phagozytose in die Zellen aufgenommen. Hohe Dosen stören jedoch die Phagozytose, so dass es zur Überladung der Zellen, z.B. in der Lunge kommt [5]. Nur für kleine Aggregate (< 30nm) und einzelne Partikel wurde eine pinozytotische Aufnahme beobachtet. Nach der Aufnahme liegen die TiO2-Partikel meist membrangebunden im Zytoplasma der Zellen vor, und es wurden bisher keine Partikel im Zellkern gefunden [1,2].

In vitro Mehrfachzellsysteme (auch Kokultursysteme genannt) simulieren das Zusammenspiel verschiedener Zellen im Körper und damit die in vivo Situation besser, als einfache Zellkulturmodelle mit nur einem Zelltyp. Mittels sensibler Methoden konnte gezeigt werden, dass TiO2 in allen Zelltypen eines 3-fach Kokultursystems als membrangebundene größere Aggregate, aber auch frei im Zytoplasma als kleinere Aggregate oder einzelne Partikel vorliegen [3].

Die Transzytose, also die Weitergabe von einer Zelle zur anderen, ist dagegen in vitro kaum untersucht. Messungen im Rahmen des Projektes NanoCare zum Transport von Nanopartikeln durch Zellen ergaben, dass kein Transport von TiO2-Partikel durch einlagige Zellschichten stattfindet [4]. Ebenso wurde keine Exozytose, ein Vorgang, bei dem Stoffe aus der Zelle an die Zellumgebung abgegeben werden, in in vitro Versuchen beobachtet.


Literatur

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  3. Rothen-Rutishauser, B et al. (2007), Part Fibre Toxicol, 4 9.
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  5. Li, J et al. (2007), Environ Toxicol Pharmacol, 24(3): 239-244.

Generell wird davon ausgegangen, dass sich Titandioxid -Partikel (unabhängig von ihrer Größe) nicht auflösen, somit ist von einem Verbleib des TiO2 in partikulärer Form in der Umwelt auszugehen. Studien zum Umweltverhalten von TiO2Nanopartikeln wurden unter drei Hauptaspekten durchgeführt: Einfluss von Umweltbedingungen auf das Vorliegen und die Mobilität der Partikel, Bindung von Umweltkontaminanten durch die Partikel und Einfluss der Partikel auf Prozesse in der Umwelt.

 

Studien zum Einfluss von Umweltbedingungen auf die Mobilität beschäftigen sich insbesondere mit natürlich in Boden oder Wasser vorkommenden Substanzen und ihrer Interaktion mit den Nanopartikeln. Dabei geht es besonders um den Einfluss auf die Agglomeration, sowie die Stabilität und Ablagerung der Partikel. Zu den natürlichen Stoffen gehören organische Materialien (Abbauprodukte von Pflanzen oder Tieren), wie Humin- oder Fulvinsäuren, welche in allen Gewässern und Böden zu unterschiedlichen Anteilen enthalten sind.

In den meisten Fällen führt eine Bindung solcher Materialien an TiO2 zu einer Stabilisierung der Partikelsuspension und verhindert deren Agglomeration [1-7]. Das führt dazu, dass Partikel eher im Wasser „schweben“, dadurch beweglich bleiben und nicht absinken. Die Stabilisierung durch organische Materialien erfolgt weitgehend unabhängig von pH-Wert und Salzgehalt der Umgebung, d.h. unter verschiedensten Umweltbedingungen. Proteine haben einen den organischen Materialien vergleichbaren Effekt, indem sie eine Agglomeration ebenfalls wirksam verhindern [8].

Bestimmte Substanzen (organische Säuren, z.B. Oxalsäure) können jedoch auch gegenteilige Effekte haben bzw. keinen stabilisierenden Einfluss ausüben [9]. Mineralien oder Salze erhöhen ebenfalls die Agglomeration der Partikel [10] und verringern ihre Beweglichkeit [1].

Das Verhalten der Partikel wird auch von den chemischen und physikalischen Eigenschaften beeinflusst. So können Verunreinigungen (z.B. Rückstände aus der Herstellung) einen Einfluss auf die Oberflächenladung und damit das Verhalten der Partikel haben [11,5]. Die verschiedenen kristallinen Strukturen des TiO2 bzw. verschiedene Formen und Größen hingegen haben laut den vorliegenden Studien keinen Einfluss auf Sedimentation und Agglomeration der Partikel.

Neben den natürlichen organischen Stoffen können auch anorganische Stoffe an Titandioxid-Partikel binden und dadurch ihr Verhalten in der Umwelt und ihre Wirkung auf Umweltorganismen beeinflussen. Titandioxid-Partikel können giftige Schwermetalle wie Cadmium und Arsen binden [12,13,14].

Karpfen, die Cadmium- bzw. Arsen-haltigem Wasser mit Titandioxidpartikeln ausgesetzt waren, nahmen mehr Cadmium und Arsen auf als Karpfen in partikelfreiem Wasser [13,14]. Bei Algen hingegen war dieser Effekt nicht zu beobachten, weil Algen die Cadmium-beladenen Partikel nicht aufnehmen [12]. Arsen wird durch die photokatalytische Wirkung des TiO2 in eine weniger giftige Form umgewandelt [15]. Ebenso wurde eine erhöhte Bindung von Phosphor an TiO2 beschrieben [16].

Somit können TiO2-Nanopartikel prinzipiell zahlreiche Stoffe binden und die Verfügbarkeit für Organismen erhöhen. Ob TiO2 auch unter Freilandbedingungen einen signifikanten Einfluss auf die Verfügbarkeit anderer Schadstoffe hat, wurde noch nicht untersucht.

TiO2-Nanopartikel können auch Einfluss auf Prozesse in der Umwelt nehmen, indem sie beispielsweise die Eigenschaften von Sedimenten hinsichtlich Oberfläche, Porengröße und Bindungsfähigkeit für andere Stoffe verändern [16]. Auswirkungen könnten z.B. eine erhöhte Bindung von Nährstoffen in TiO2 belasteten Böden sein, genauere Folgen einer TiO2-Anreichung sind jedoch noch unerforscht.

Auch Wasserreinigungs-Prozesse in Kläranlagen können durch hohe TiO2-Konzentrationen beeinflusst werden. So sind Auswirkungen auf die Entfernung von Stickstoffverbindungen beschrieben [17] .


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