Spotlight Februar 2022: Probabilistische Risikoanalyse – der Schlüssel für die Zukunft der Toxikologie

Home > Spotlight Februar 2022: Probabilistische Risikoanalyse – der Schlüssel für die Zukunft der Toxikologie

Die Grundlagen der Toxikologie werden immer wieder überdacht, das Vorgehen bei einer Risikobeurteilung daher ständig auf den Prüfstand gestellt, denn, so wird William Osler in dieser Publikation zitiert, “Medizin (Toxikologie) ist die Wissenschaft der Unsicherheit und die Kunst der Wahrscheinlichkeit“. In dieser aktuellen Arbeit hat das Team um Thomas Hartung (Johns-Hopkins University/Universität Konstanz) dargestellt, dass wir für eine verbesserte Toxikologie eher mit einem „Wahrscheinlichkeitsprinzip in der Risikoabschätzung (Probabilistic Risk Assessment)“ arbeiten sollten. Dies ist auch oder gerade für neue Materialien von besonderer Bedeutung, denn bei diesen gibt es besonders häufig Wissenslücken, Unsicherheiten bei der Risikoabschätzung durch konträre Datenlage und unterschiedlichste Hypothesen und damit auch Herangehensweisen der verschiedenen Stakeholder.

In der Publikation werden diverse Modelle aufgezeigt, die für diese Art der Risikoabschätzung anwendbar sind und für die es teilweise auch entsprechende Software gibt, um Berechnungen für die jeweilige Expositionssituation durchzuführen. In den Beispielen für diese Betrachtungsweise wird hier auch eine Arbeit von Jacobs et al. (1) zitiert, die den Fall auf Kieselsäure (Siliziumdioxid) in Nahrungsmitteln angewendet hatten. Sie kamen zum Schluss, dass nach Zugrundelegung aller Unsicherheiten und Einsatz aller vorhandenen Daten, der Sicherheitsrahmen durch den Einsatz von Kieselsäure in unterschiedlichen Produkten des Lebensmittelbedarfs bei weitem nicht ausgereizt wird. Im Jahr 2017 hat eine internationale Expertengruppe diese Methode auf Titandioxid in sieben verschiedenen Expositionsszenarien angewandt und ist auch dabei zu keinem erhöhten Risiko für den Menschen gekommen, da die Wahrscheinlichkeit, dass die Sicherheitsgrenzwerte überschritten werden, verschwindend gering ist (2).

Die aktuelle Arbeit der Johns-Hopkins University ist somit ein guter Hinweis darauf, diesen Ansatz für neue Materialien und Technologien zu wählen, um auch bei vorhandenen Unsicherheiten eine vernünftige Risikoabschätzung für neue, innovative Materialien machen zu können.

 

Weiterführende Literatur:

  1. Jacobs, R., van der Voet, H., and Ter Braak, C.J. (2015). Integrated probabilistic risk assessment for nanoparticles: the case of nanosilica in food. J Nanopart Res 17, 251
  2. Tsang, M.P., Hristozov, D., Zabeo, A., Koivisto, A.J., Jensen, A.C.O., Jensen, K.A., Pang, C., Marcomini, A., and Sonnemann, G. (2017). Probabilistic risk assessment of emerging materials: case study of titanium dioxide nanoparticles. Nanotoxicology 11, 558-568

 

Original Publikation:

Maertens, A., Golden, E., Luechtefeld, T.H., Hoffmann, S., Tsaioun, K., and Hartung, T. (2022). Probabilistic risk assessment – the keystone for the future of toxicology. ALTEX 39, 3-29

 

Spotlight Februar 2022: Probabilistische Risikoanalyse – der Schlüssel für die Zukunft der Toxikologie

Weitere Spotlights


Spotlight Oktober 2020: Nanosicherheit – Thema der Zukunft

Spotlight Oktober 2020: Nanosicherheit – Thema der Zukunft

Die Nanosicherheitsforschung ist auch Treiber für Innovationen, wie das Spotlight im Juli 2020 bereits ausgeführt hat. Und doch zeigt dieses Forschungsfeld, dass auch die Routine dazu gehört, wenn es darum geht, die sprichwörtliche «Nadel im Heuhaufen» zu suchen. In vielen Bereichen ist die Sicherheitsforschung Initiator neuer Methoden, so z.B. für die Suche von Nanopartikeln im Körper mittels […]

Weiterlesen

Spotlight September 2020: Grundwassersanierung mit Carbo-Iron® – Risiko oder Nutzen?

Spotlight September 2020: Grundwassersanierung mit Carbo-Iron® – Risiko oder Nutzen?

Im September möchten wir ein Paper des BMBF Projekts Fe-Nanosit vorstellen. Das Projekt beschäftigte sich mit dem Einsatz von Eisen-haltigen Nanomaterialien in der Grund- und Abwassersanierung. Eine übergreifende Bewertung und Abwägung von Nutzen und möglichen, aus der Anwendung entstehenden Umweltrisiken wird nun von den Projektpartnern in diesem Paper beschrieben.

Weiterlesen

Spotlight September 2021: Holz, der Rohstoff der Zukunft?

Spotlight September 2021: Holz, der Rohstoff der Zukunft?

Eine der größten Herausforderungen der Menschheit ist es, unter den gegebenen Umständen von Klimaerwärmung, Bevölkerungswachstum und wachsender Vermüllung, sauberes Trinkwasser zu produzieren. Im September möchten wir Ihnen deshalb einen Übersichtsartikel vorstellen, der einen Lösungsansatz in der Verwendung von nanoskaligem Holz sieht. In dem in der Zeitschrift „Advanced Materials“ erschienenen Review „Advanced Nanowood Materials for the […]

Weiterlesen

Spotlight Mai 2022: „Nano-Geister“ – Risikobewertung von Feinstpartikeln in Lebensmitteln mit Vorurteilen gegenüber fiktivem „nano“

Spotlight Mai 2022: „Nano-Geister“ – Risikobewertung von Feinstpartikeln in Lebensmitteln mit Vorurteilen gegenüber fiktivem „nano“

Die Europäische Kommission hat ein Verbot für den Farbstoff Titandioxid in Lebensmitteln erlassen. Titandioxid, das für einen schönen Glanz und strahlend weiße Farbe sorgt, kann möglicherweise das Erbgut schädigen. Für das Spotlight im Mai 2022 haben wir einen Review-Artikel aus 2022 ausgewählt, der sich mit der Risikobewertung von Titandioxid (E171) in Lebensmittelqualität und den daraus […]

Weiterlesen

Skip to content