Kristallstrukturen von Nanomaterialien

Home > Basics >Querschnittsthemen > Kristallstrukturen von Nanomaterialien

Atome können sich, abhängig von äußeren Bedingungen wie Temperatur oder Druck, auf verschiedene Art und Weise in Gitterstrukturen anordnen. Für einige Materialien mit den gleichen Anteilen an enthaltenen Elementen kann es daher verschiedene Kristallstrukturen geben. Nanomaterialien mit unterschiedlichen Kristallstrukturen können sich in wichtigen physikalisch-chemischen Eigenschaften unterscheiden (z.B. Reaktivität oder photokatalytische Aktivität). Deshalb wird in solchen Fällen für eine bestimmte Anwendung nur eine spezifische Kristallstruktur eingesetzt. Die unterschiedlichen Kristallstrukturen sind aber nicht nur für verschiedene technische Anwendungen relevant, sondern können auch das Verhalten und die Toxizität von Nanomaterialien beeinflussen.

Beispiel für verschiedene Kristallstrukturen desselben Materials. Titandioxid kommt als Anatas, Rutil oder Brookit vor.

Beispiel für verschiedene Kristallstrukturen desselben Materials. Titandioxid kommt als Anatas, Rutil oder Brookit vor.

Ein Beispiel für ein solches Material ist das Titandioxid (TiO2). In Sonnencreme oder als Weißpigment in Farben wird es vorwiegend in der Rutil-Form eingesetzt, für photokatalytische Anwendungen (z.B. selbstreinigende Oberflächen) hingegen als Anatas.

Neben Titandioxid kommen eine ganze Reihe weiterer Nanomaterialien in unterschiedlichen Kristallstrukturen vor, z.B. Eisenoxid, Siliziumdioxid oder Kohlenstoff. Letzter kann in Form von Diamant oder Graphit (ein Stapel aus mehreren Graphen-Schichten) auftreten. Während Diamant wegen seiner Härte beispielweise zum Sägen von Beton eingesetzt wird, dient Graphit wegen der guten Deformierbarkeit seines Kristallgitters als Schmiermittel. Die unterschiedlichen Materialeigenschaften verschiedener Kristallstrukturen eröffnen folglich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten.

Die verschiedenen Kristallstrukturen der Nanomaterialien müssen auch bei der Untersuchung möglicher schädlicher Wirkungen auf Organismen oder dem Umweltverhalten berücksichtigt werden, da sich die physikalisch-chemischen Eigenschaften ändern können.

Von den Titandioxid-Modifikationen Anatas und Rutil ist bereits bekannt, dass sie sich in ihren toxischen Wirkungen auf Organismen und Zellen unterscheiden [1-3]. Anatas zeigt dabei eine toxische Wirkung auf Zellen [3] und Organismen [1,2], während Rutil nicht toxisch ist. Einerseits wird dafür die photokatalytische Wirkung des Anatas-Titandioxid diskutiert, die zur Bildung von Reaktiven Sauerstoff-Spezies (ROS) beiträgt. Andererseits ist bekannt, dass die Rutil-Form schwer in Wasser löslich ist. Es wird daher angenommen, dass Rutil-Titandioxid in den wässrigen Testmedien schnell agglomeriert und sedimentiert und die Organismen und Zellen den Partikeln im Test nur über kurze Zeit ausgesetzt sind [1]. Auch für andere Nanomaterialien sind solche Einflüsse der Kristallstruktur auf die toxische Wirkung beschrieben worden.

Die verschiedenen Kristallstrukturen können auch weitere Nanomaterial-Eigenschaften wie die Löslichkeit oder die Bindung von anderen Stoffen beeinflussen.

Zusammenfassend stellt die Kristallstruktur damit eine wichtige Eigenschaft von Nanomaterialien dar, welche das Verhalten der Materialien und damit auch mögliche toxische Wirkungen entscheidend beeinflussen kann.


Literatur

  1. Clement L et al. (2013), Chemosphere, 90: 1083-1090.
  2. Ji J et al. (2010), Chem Eng J, 170(2-3): 525-530.
  3. Sanders K et al. (2012), Toxicol Appl Pharmacol, 258(2): 226-236.
Skip to content